von Alfred Huber übernommen aus der Festschrift zum 10. Altstadtfest
Auf halbem Wege der ursprünglich Leichengasse, heute Krankenhaus- bzw. Petersgasse genannten Straße, die von der Neu- in die Altstadt führt, liegt das Krönungskirchlein. Sein Name leitet sich her vom Titel der Kapelle "Corona Christi", Dornenkrönung Christi. Wie die anderen Kapellen im Friedhof St. Peter: Liebfrauenkapelle (frühes 15. Jh.), Bernauerkapelle (bald nach 1435), Totentanzkapelle (1486) gehört auch sie, wenn auch dem ausgehenden 15. Jahrhundert an.
lhre erste Erwähnung datiert in das Jahr 1507, wo sie als "neue Kapelle" bezeichnet wird. "Im Haus, auch ber derselben neuen Capellen gelegen", wohnen die "armen Leue, die mit der schweren Kranckheit malafrantzos beladen sind". Bei dem Bau handelt es sich also offenbar um eine Stiftung für sieche kranke Leute.
Der spätgotische Kirchenbau ist ein Ziegelbau mit eingerücktem und in der Achse etwas nach Süden verschobenem dreiseitig geschlossenem Altarhaus. Die Gliederungen des Backsteinbaus sind in Kalkstein ausgeführt. An den Chorbogen schließt sich westlich das Langhaus. Auffallenderweiße hat das Kirchlein zwei Eingänge. Der an der Westseite befindliche Zugang, mehr gegen die Nordecke gesetzt, zeigt ein reich profiliertes Gewände mit einem beachtenswerten Kragsturz. Der zweite mit einem Steinmetzzeichen versehene Eingang liegt diesem gerade gegenüber an der Ostseite des Langhauses, neben dem südwärts vorgeschobenen Altarhaus (Chor). Die eigenartige Anlage mit den beiden Zugängen führt M. Sieghart darauf zurück, dass es Brauch gewesen sei, die Leichen, die von der Stadt zum Petersfriedhof gebracht wurden, durch die Kirche hindurchzutragen. Deshalb sei bei der Bauanlage das Altarhaus auch nach Süden verschoben.
Die spitzbogigen, zweigeteilten Fenster ziert einfaches Maßwerk mit Pässen. Die Gewände sind abgeschrägt. Die Südseite der Kapelle zeigt östlich ein dreiteiliges Spitzbogenfenster mit Pässen im Maßwerk. Westlich befindet sich in Höhe der Empore ein kleineres Fenster, dessen Ausschnitt einem Spitzbogen entspricht. Das Maßwerk ist mit Nasen besetzt. Gegenüber an der Nordseite sitzt ein gleichgeartetes Fenster. ln dieser Wand befindet sich ostwärts noch ein zweigeteiltes spitzbogiges Langfenster, das ein Maßwerk in einfachen Formen vorstellt. Das einstmals auf der anderen Straßenseite stehende Blatternhaus war wohl "durch eine fliegende Brücke" mit dem Kirchlein verbunden, wie die an der Nordseite des Langhauses noch erkennbare Blendnische vermuten lässt. Über sie besuchten die Sondersiechen, später die armen Dienstboten der Siechenhausstiftung, offenbar die Kapelle zur Messfeier und zum Gebet.
lm Westen ist die Kapelle, deren Dach mit Ziegelbibern gedeckt ist, mit einem hölzernen Dachreiterturm bekrönt, der wohl aus der Barockzeit stammt. Die Ablastung des Türmchens erfolgt über zwei Querbalken, welche auf den letzten drei Deokenbalken aufliegen. Von hier aus ist in einer vierseitigen Ständerkonstruktion mit quadratischem Grundriss der Turmschaft im Dachboden aufgeführt. Er geht mit der gleichen Grundkonstruktion über das Dach hinaus bis zu der achtseitigen Zwiebelkuppel. Diese sowie auch der vierseitige Schaft sind mit Holzschindeln beschlagen. Soweit man aus den Durchführungsöffnungen für die Seile am Dachstuhl schließen kann, barg das Türmchen früher (KDM SR 1921, 301) zwei bedeutsame Glocken. Sie sind mittlerweile abhanden gekommen. Auf Bemühen und mit finanziellen Mitteln der Altstadtfreunde wurden 1997 die dringenden lnstandsetzungsmaßnahmen am Zwiebelturm und an der Dachkonstruktion vorgenommen.
Das flachgedeckte Langhaus mit seinen zwei Fensterachsen besitzt eine barocke Kassettendecke, die allerdings nur mehr in Resten vorhanden ist. Zusammen mit der hölzernen Orgelbrüstung auf der Westseite, der Treppenanlage und der zugehörigen Tür stellt sie einen recht einheitlichen, hübschen barocken Bestand dar, der der Zeit um 1620 zuzuordnen ist. Die Oberfläche mit den Deckleisten darauf wurde offenbar im 19. Jahrhundert unsachgemäß behandelt, z. T. wohl auch weiß gefasst, braucht deshalb eine dringende Restaurierung.
Der Chor oder Altarraum, der in drei Achteckseiten schließt, zeigt ein Netzgewölbe, das auf profilierten Spitzkonsolen ruht. Die Gewölbekappen sind mit spätgotischer Maßwerkmalerei in blau und grau geschmückt. Einer der beiden Schlusssteine zeigt das Haupt Christi, der andere das Wappen der Stadt mit dem hochgestellten Pflug. Auf den Rippenschnittpunkten zur Seite sind zwei Tartschen zu sehen, die die bayerischen Rauten und das Wappen der Babenberger (Querbalken) vorstellen. Die Wappenverbindung bezieht sich wohl auf die Hochzeit von Herzog Albrecht IV. von Bayern mit Kunigunde, der Tochter Kaisers Friedrich Ill., am 3. Januar 1487. Vielleicht darf man die Entstehungszeit dieser Krönungskapelle mit diesem Datum in Verbindung bringen.
Eine Aufnahme H. Rohrmayers aus der Zeit um 1920 präsentiert uns noch den einstigen Zustand des Altares, wie ihn auch der Kunstdenkmälerband (1921) noch weitgehend beschreibt. Der feine Altaraufbau in Barock, getragen von kannelierten Säulen und Pilastern, ist etwas jünger als die sonstige Holzausstattung der Kapelle, zeigt noch die ursprüngliche Fassung in schwarz und gehört der Zeit um 1650 an. Das ursprüngliche Altarblatt mit der Darstellung der Dornenkrönung Christi gelangte schon vor 1921 in die Schutzengelkirche, ist heute verschollen, wie die meisten Kunstwerke (zwei Engel, die beiden Assistenzfiguren (hl. Rochus und ?), die Kreuzigungsgruppe, Kanzel etc.) dieser Kapelle. Der Tabernakel befindet sich in der Kirche St. Michael, wo er während der Osterfeiertage auf dem Seitenaltar St. Marien verwendet wird. Das neue Altarblatt, ebenfalls eine Dornenkrönung Christi, ist etwa 1840 enststanden und wird derzeit vorübergehend im Gäubodenmuseum aufbewahrt. Verschwunden ist auch die Kopie des Ettaler Gnadenbildes, das von Engeln umgeben über dem formenreichen Gesims des Altares zwischen volutenförmigen Giebelstücken thronte, ebenso auch die Kanzel. Sie war wohl gleichzeitig mit dem Altar entstanden, besaß einen Polygonkorpus, den Felder gliederten. Am Chorbogen befand sich einmal eine barocke Kreuzigungsgruppe, deren Schicksal unbekannt ist. Die Kapelle besaß auch einmal ein Votivbild (100 x 150 cm), das Michael Mayer, der Hofschneider des Herzogs Albrecht in Ober- und Niederbayern, im Jahre 1622 gestiftet hatte. Es stellte die Anbetung der Hl. Drei Könige dar, darunter die betende Familie. Der Kunstdenkmälerband (1921) kannte auch noch eine Holzfigur (80 cm) aus der Zeit um 1500 „Christus, die Wundmale zeigend”. Ein hübsches schmiedeeisernes Gitter aus dem frühen 17. Jahrhundert schließt noch heute am Chorbogenden Altarraum ab.
Die Seitenwände tragen zwei von der Stadtgemeinde angebrachte lnschrifttafeln, die an Wohltäter erinnern: auf der nördlichen Seite für den Wohltäter der Armen” Canonicus Friedrich von Beer (13. 8. 1747 - 17. 10. 1811), auf der südlichen Wand für die edlen Wohltäter des hiesigen Stadt-Krankenhauses.
Wenngleich die Quellen zur Geschichte der Kapelle nicht gerade sprudeln, lassen sich doch einige Daten zusammentragen. Für das Jahr 1526 wird als „Provisor der Messe” in der Krönungskapelle „außerhalb der Stadmauern” Sebastian Hebinger genannt. Der eigentliche Pfarrer aber heißt Johannes Kess, Pfarrer in Waldmünchen, der seinem Provisor acht Pfund Regensburger Pfennige bezahlt. Die nächste Diözesanvisitation aus dem Jahre 1559 vermerkt: „Die Kapelle Krönung Christi gehört zur Pfarrei (St. Peter), besitzt vier Meßgewänder und zwei vergoldete Kelche aus Silber."
Ursula Windthier, Goldschmiedswitwe zu Straubing, verschreibt am 17. März 1574 Hanns Lang, dem Pfleger der Sondersiechen, 10 Gulden Gilt aus ihrem Zehent zu lttling, Obling und Moosdorf für die Krönungsmesse.
Am 29. Jan. 1583 übergibt Ursula Schwartzendorffer die von ihrem Ehevogt vermachten 100 Gulden dem Blatternhaus, damit davon 5 Gulden Ewiggeld gekauft werden. Hiervon sollen 3 Gulden dem Blatternhaus verbleiben, die beiden andern zum Jahrtag verwendet werden, am 19. Jan. im Kirchl, zu der Krönung genannt, durch den Kaplan der allda gestifteten Messe oder bei Vakatur durch einen anderen Priester eine Messe gehalten werden, neben einer Predigt, wobei vor Schluß dieser Predigt des Stifters Albrecht Schwartzendorffer und seiner Angehörigen gedacht werden soll. Jeder arme Mensch im Blatternhaus, der dem Gottesdienst ganz anwohnt, Schwachheit und großes Alter entschuldigt, soll einen Kreuzer auf die Hand erhalten. Am 17. Mai 1592 stiftete Dr. Wolfgang Posch einen weiteren ewigen Jahrtag, zu halten am 19. Februar, mit 50 Gulden in die Kapelle zur Krönung beim Blatternhaus, den die Stieftochter Frau Guetraterin um weitere 50 Gulden aufbesserte. Jeder arme Mensch aus dem Blatternhaus, der den Gottesdienst besucht, soll drei Kreuzer auf die Hand bekommen.
ln einem Vergleich zwischen dem Stiftskapitel und dem Bürgermeister der Stadt einigte man sich bezüglich der Fundation der Krönungsmesse dahingehend, dass der Pfarrer von St. Peter dem Consistorium einen Kaplan präsentiert, der „auch auf des Pfarrers Begehren in der ganzen Pfarr den Kooperatorenstand gegen des Pfarrheim Ergötzlichkeit vertrete".
„ln das Gotteshaus unsers lieben Herrn Krönung bei dem Blatternhaus” stiftet am 9. Febr. 1611 Sidonia von Degenberg, geb. Colonna, eine ewige Messe. Dafür verschafft sie dem Blatternhaus ihren Garten samt dem dazugehörigen Haus und Stadel „zwischen den Städten” zur Nutznießung auf Lebenszeit. Kaplan an der Krönungskapelle war damals Herr Johann Lichi. Die Witwe Barbara Beham richtet am 20. Okt. 1615 „bei unsers Herrn Krönung” einen ewigen Jahrtag auf, wobei der Gottesdienst alljährlich am Quatembermittwoch nach Pfingsten, dem Todestag ihres Ehewirts, gehalten werden soll. Zu dem Jahrtag gibt sie 50 Gulden. Dieselbe Witwe stiftet zusammen mit ihren Söhnen Hanns und Andre Hunger am 15. März 1617 einen weiteren Jahrtag, der mit 150 Gulden datiert wird. Der Gottesdienst ist alljährlich in der Woche Andreä Apostoli zu halten. Am 2. Aug. 1658 vereinbart die Witwe Maria Aman mit Pfarrer Heinrich Millauer von St. Peter mit dem Zins aus einem Kapital von 200 Gulden einen Jahrtag, der vom Pfarrer in der Woche Katharinae zu halten ist. Von den Zinsen stehen der Krönungkirche 2 Gulden und 20 Kreuzer für Beleuchtung und Ornat zu.
Die 1665 von G. Forster lateinisch angelegte Matrikel des Bistums Regensburg gibt auch eine kurze Beschreibung der Krönungskapelle. Der Zustand lässt noch die Nachwirkungen des Dreißigjährigen Krieges erkennen: „Kapelle der Bekrönung des Herrn negst dem Bruderhaus mit einem Altar, der entweiht ist, dazu ein Benefizium gestiftet ist. Es besteht die Verpflichtung zu drei Messen in der Woche, die aber jetzt wegen der schmalen Einkünfte auf eine vermindert sind. Patron des Benefiziums ist der Pfarrer bei St. Peter. Dort ist auch ein frommes Haus gestiftet, das Bruderhaus, das unter der Verwaltung des Stadtrats steht."
Am 15. April 1668 erhält das Gotteshaus der hl. Krönung durch Testament der Balburga Tetscherin wiederum 50 Gulden zur Errichtung einer ewigen Messe. Von dem Zins werden der Priester, der Custor oder Kellerer, die Ministranten und die Armen bedacht. Der Rest verbleibt dem Gotteshaus für Beleuchtung, Opferwein und Paramente. Laut Matrikel der Diözese (1916) wurde die Kapelle 1669 neu konsekriert. Am 2. Dez. 1676 stiften die Erben des Valentin Hofstetter 200 Gulden in die Krönungskapelle. Mit den 10 Gulden Zinsen soll am 7. März ein Jahrtag zum Gedächtnis der Hofstettereheleute gehalten werden. Unter anderem soll davon auch der Schulmeister fürs „Regalschlagen (= Orgelspiel) und Singen” dreißig Kreuzer erhalten. Der Rest verbleibt der Kapelle für Beleuchtung und Notdurft.
Mit der Schließung des Petersfriedhofes im Jahre 1879 schwand die Kapelle mehr und mehr aus dem Bewußtsein der Bürger. Letztmals wurde das Kirchlein 1910 mit Unterstützung des Landesamts für Denkmalpflege umfassend restauriert. Für den Erhalt dieser Krönungkapelle, die für die Stadtgeschichte als Siechenhauskirche historische Bedeutung hat und die in sich als gotischer Kirchenbau mit einem frühbarocken Altar und Wandmalereien im Altarhausgewölbe- und im Chorbogenbereich auch kunsthistorischen Wert besitzt, engagiert sich heutzutage in besonderem Maße der Verein der Altstadtfreunde e. V. Er verdient dafür nicht nur hohes Lob und Anerkennung, auch unsere weitere Unterstützung.
Literatur: Solleder, F: Urkundenbuch der Stadt Straubing, Straubing 1918, Mader, E: Kunstdenkmä/erband der Stadt Straubing, München 1921. Visitationen uno/ Matrikel der Diözese Regensburg (1526, 15 59 und 1665), in: BZGR Bd. 21, 27 und Beiband 3.